Chinas Recht 2001.4
6.2.01/1
Bestimmungen des Obersten Volksgerichts zu einigen Fragen bei
der Beurteilung von Fällen von Streitigkeiten mit Bezug auf übertragene und
aufgelöste Unternehmen von Truppenteilen der Armee und der bewaffneten Polizei
und von Polizei- und Justizorganen sowie auf von Partei- und Regierungsstellen
losgelöste Unternehmen <1>
Shifa 2000/8, verabschiedet vom
Gerichtskomitee des Obersten Volksgerichts am 6.2.2001
Um nach dem Recht korrekt Fälle
von Streitigkeiten über Schulden sowie Konkursfälle zu beurteilen, die
übertragene und aufgelöste Unternehmen von Truppenteilen der Armee und der
bewaffneten Polizei und von Polizei- und Justizorganen sowie Unternehmen
betreffen, die von Partei- und Regierungsstellen losgelöst worden sind, wird
aufgrund der einschlägigen Vorschriften der "Allgemeinen
Grundsätze des Zivilrechts der VR China"<2>, des
"Gesellschaftsgesetzes
der VR China"<3>, des "Zivilprozeßgesetzes
der VR China"<4> und des "(versuchsweise
durchgeführten) Konkursgesetzes der VR China"<5>
folgendes bestimmt:
I. Regelung von Streitigkeiten
über Schulden übertragener, aufgelöster und losgelöster Unternehmen
§ 1 Wenn Unternehmen, die von Truppenteilen der Armee und der
bewaffneten Polizei und von Polizei- und Justizorganen sowie von Partei- und
Regierungsstellen in Betrieb genommen worden sind (im folgenden kurz: in
Betrieb genommene Unternehmen) die Bedingungen für juristische Personen erfüllen
und einen Gewerbeschein für juristische Unternehmenspersonen erhalten haben,
haften sie gemäß § 48 der "Allgemeinen
Grundsätze des Zivilrechts der VR China" unabhängig zivilrechtlich mit
dem Vermögen, das sie betreiben und verwalten, oder das ihnen gehört.
§ 2 Wenn ein in Betrieb genommenes Unternehmen einen Gewerbeschein
für juristische Unternehmenspersonen erhalten hat, und das tatsächlich [in das
Unternehmen] investierte Kapital zwar nicht seinem registrierten Kapital
entspricht, jedoch den in § 15 Nr. 7 der "Ausführungsbestimmungen zu den
Regeln der VR China für die Registrierung juristischer
Unternehmenspersonen"<6> festgelegten Betrag erreicht,
muß festgestellt werden, daß sie juristische Persönlichkeit besitzen; die
Einheit, welche sie in Betrieb genommen hat, haftet [für sie] zivilrechtlich
bis zur Höhe der Differenz zwischen dem tatsächlich investierten und dem
registrierten Kapital.
§ 3 Wenn ein in Betrieb genommenes Unternehmen zwar einen
Gewerbeschein für juristische Unternehmenspersonen erhalten hat, aber das [in
das Unternehmen] investierte Kapital den in § 15 Nr. 7 der
"Ausführungsbestimmungen zu den Regeln der VR China für die Registrierung
juristischer Unternehmenspersonen" <6> festgelegten
Betrag nicht erreicht, oder ihm andere Voraussetzungen für eine juristische
Unternehmensperson fehlen, muß festgestellt werden, daß es keine juristische
Persönlichkeit besitzt; die Einheit, welche es in Betrieb genommen hat, haftet
[für es] zivilrechtlich.
§ 4 Wenn die Einheit, die es in Betrieb genommen hat, dem in Betrieb
genommenen Unternehmen Kapital oder Sachen entnimmt, haftet sie im Umfang der
Entnahmen zivilrechtlich für die Schulden des Unternehmens.
§ 5 Wenn die Einheit, die ein Unternehmen in Betrieb genommen hat,
Kapital daraus flüchtet oder verlegt oder Vermögen verbirgt, um [die Bezahlung]
der Schulden des Unternehmens zu vermeiden, müssen dies Kapital bzw. Vermögen
zurückgeschafft und zur Begleichung der Schulden des Unternehmens verwandt
werden.
§ 6 Wenn die Einheit, die ein Unternehmen in Betrieb genommen hat,
für das Unternehmen eine Sicherheit geleistet hat, haftet sie im Unfang der
Sicherheit dafür zivilrechtlich.
§ 7 Wenn die Einheit, die ein Unternehmen in Betrieb genommen hat,
oder die ihr übergeordnete Abteilung bei der Auflösung des Unternehmens der
Industrie- und Handelsverwaltungsbehörde einen schriftlichen Nachweis
ausgestellt hat, mit dem sie freiwillig die Haftung für Schulden des
Unternehmens übernimmt, haftet sie demgemäß zivilrechtlich für diese Schulden
im Rahmen des [aus dem Unternehmen bei der Auflösung] erhaltenen Vermögens.
§ 8 Wenn ein von der Armee in Betrieb genommenes Unternehmen
unentgeltlich dem Territorium übertragen worden ist, haftet dafür
zivilrechtlich die Einheit, die es übernimmt.
§ 9 Wenn mehrere Einheiten ein Unternehmen gemeinsam in Betrieb
genommen haben, sind sie Streitgenossen und haften zivilrechtlich jede zu dem
Anteil [am Kapital], den sie investiert hat, oder zu dem sie am Gewinn
beteiligt ist.
§ 10 Wenn die Einheit, die ein Unternehmen in Betrieb genommen hat,
bereits insoweit zivilrechtliche Haftung übernommen hat, als das registrierte
Kapital nicht tatsächlich [investiert worden] ist, muß das registrierte Kapital
als voll eingezahlt angesehen werden, und sie haftet nicht weiter dafür, daß
das registrierte Kapital nicht tatsächlich [investiert worden] ist.
II. Regelung von Konkursfällen
übertragener, aufgelöster und losgelöster Unternehmen
§ 11 Wenn das in Betrieb genommene Unternehmen oder ein Gläubiger beim
Volksgericht die Eröffnung des Konkurses beantragen, so muß das Volksgericht
die Sache ohne Rücksicht darauf annehmen, ob das von der Einheit, die es in
Betrieb genommen hat, registrierte Kapital tatsächlich voll eingezahlt worden
ist oder nicht.
§ 12 Wenn der Konkurs des in Betrieb genommenen Unternehmens verkündet
wird, ist die Abwicklungsgruppe dafür verantwortlich, von der Einheit, die es
in Betrieb genommen hat, den am registrierten Kapital fehlenden, nicht
investierten Betrag, entnommenes Kapital und entnommene Sachen, verlegtes
Kapital und verborgenes Vermögen sämtlich zurückzuholen.
§ 13 Wenn das vom in Betrieb genommenen Unternehmen im Publikum oder intern
bei den [eigenen] Beschäftigten gesammelte Kapital nicht abgewickelt
[=zurückgezahlt] ist, muß es bei der Verteilung der Konkursmasse gemäß § 37
Abs.2 Nr.1 des "(versuchsweise
durchgeführten) Konkursgesetzes der VR China" abgewickelt werden.<7>
§ 14 Einheiten, die ein übertragenes, aufgelöstes oder losgelöstes
Unternehmen in Betrieb genommen haben, und Einheiten, die ein übertragenes
Unternehmen übernommen haben, müssen bei [seinem] Konkurs Mitglieder der Abwicklungsgruppe
sein und an der Abwicklungsarbeit teilnehmen.
III. Vermögenssicherung und
Vollstreckung
§ 15 Ein Volksgericht, das einen Fall behandelt, der ein übertragenes,
aufgelöstes oder losgelöstes Unternehmen betrifft, und feststellt, daß die
Einheit, die es in Betrieb genommen hat, zivilrechtlich haftet, darf deren
Konten für Mittel der Staatskasse, militärische Betriebsaufwendungen oder
fiskalische Betriebsaufwendungen, ihre Bürogebäude, Fahrzeuge und andere für
die öffentliche Tätigkeit erforderlichen Dinge nicht versiegeln, pfänden,
einfrieren, versteigern oder sonst Maßnahmen der Vermögenssicherung oder der
Zwangsvollstreckung unterziehen.
§ 16 Bei der Vollstreckung eines rechtskräftigen Urteils, das die
zivilrechtliche Haftung einer Einheit berührt, die ein Unternehmen in Betrieb
genommen hat, darf ein Volksgericht nicht die fiskalischen Mittel der Einheit,
sondern nur ihre eigenen Mittel zur Begleichung der Schulden verwenden. Hat die
Einheit keine eigenen, sondern nur fiskalische Mittel, so muß das Gericht nach
dem Recht die Beendung der Vollstreckung verfügen.
IV. Anwendungsbereich
§ 17 Diese Bestimmungen werden nur bei der Behandlung von
Streitigkeiten über Schulden und von Konkursfällen angewandt, die diesmal bei
übertragenen und aufgelösten Unternehmen von Truppenteilen der Armee und der
bewaffneten Polizei und von Polizei- und Justizbehörden sowie bei von Partei-
und Staatsstellen losgelösten Unternehmen entstehen.
Quelle:
www.legaldaily.com.cn/gb/content/2001-03/24/content_15241.htm
Anmerkungen:
<1> 1998 wurden die
Branchenbehörden abgeschafft, die Ausübung des staatlichen Eigentums an den
Staatsunternehmen übergreifenden Wirtschaftsbehörden oder Holdinggesellschaften
übertragen. Außerdem wurde im Juli 1998 beschlossen, alle auf Gewinn gerichtete
Tätigkeit der Armee zu beenden und ihre Unternehmen der allgemeinen Verwaltung
zu übertragen.
Das sollte einmal, ganz ebenso wie die Beseitigung der
Branchenbehörden, dazu beitragen, die Unternehmen zu selbständigen
Marktsubjekten zu machen. Es sollte aber auch die immer skandalösere
Sonderrolle der Militärunternehmen beenden.
Denn diese Unternehmen nutzten weitgehend unentgeltlich
Ressourcen und Personal der Armee. So wurde mit Flugzeugen, Flugplätzen und
Piloten der Armee eine gewerbliche Luftlinie betrieben. Die Militärunternehmen
machten aber auch hemmungslos Gebrauch von militärischen Privilegien, nutzten
etwa, daß von ihnen genutzte Militärfahrzeuge keine Straßen- und
Brückengebühren zu bezahlen brauchten; Militärkrankenhäuser behandelten auch
nicht miltärische Patienten, weigerten sich aber, den Steuerbehörden Einblick
in ihre Bücher zu geben: es handele sich um militärische Geheimnisse. Mit
alledem hatten diese Unternehmen erhebliche Wettbewerbsvorteile. (Näher Wang
Xiaobing in Caijing 4.2.2001, http://jczs.sina.com.cn/2001-02-04/12554.html)
Militärische Privilegien wurden dem Vernehmen nach in
erheblichem Ausmaß auch für kriminelle Aktivitäten, insbesondere Schmuggel und
in den Gewässern um Hongkong für Piraterie genutzt. Der Beschluß vom Juli 1998
verbietet angeblich der Armee ausdrücklich die Schmuggelei.
Der Beschluß wurde ungewöhnlich rasch durchgeführt; innerhalb
von etwa 20 Monaten war die Trennung der Armee von ihren Unternehmen im
wesentlichen abgeschlossen. Insgesamt wurden der Armee über 6000 Unternehmen
mit rund 200 Mrd. Yuan Kapital genommen; von diesen 6000 blieben etwa 900 als
selbständige Unternehmen erhalten. (Die in dem Beschluß und im Titel der
vorliegenden Bestimmungen weiter genannten Unternehmen der bewaffneten Polizei
und der Polizei- und Justizbehörden - tatsächlich im wesentlichen der Polizei -
spielen demgegenüber nur eine Nebenrolle.)
Allerdings sind eine Reihe schwieriger Fälle geblieben, die bis
Mitte 2001 erledigt werden sollen. Einige Unternehmen sollten zunächst als für
das Militär besonders wichtig überhaupt verschont bleiben - ein hoch
verschuldetes Telekommunikationsunternehmen, an dem übrigens auch ausländisches
Kapital beteiligt ist; Hotels und Gästehäuser; die Miltärfarmen u.a. - , werden
aber jetzt wohl auch weitgehend dem Militär entzogen.
Die vorliegenden Bestimmungen des Obersten Volksgerichts
beziehen sich auf die Folgen dieser Aktion, sind also als einmalige Maßnahme
gedacht (für Streitigkeiten, die "diesmal" entstehen, § 17). Sie zeigen
das Grundproblem bei der Verselbständigung der Staatsunternehmen: die
Unternehmen sind meist stark verschuldet. Daher machte auch die
"unentgeltliche" Übergabe der Unternehmen an die
Territorialverwaltung oder den Zentralstaat oft erhebliche Schwierigkeiten, die
in mühsamen Verhandlungen zwischen den für die Aktion eingerichteten Büros des
Militärs und der Territorialverwaltungen bzw. der Zentralregierung bewältigt
werden mußten. Der zu übergebende Xinxing-Konzern beispielsweise, der zum guten
Teil aus bankrotten Militärschneidereien bestand, mußte erst von diesen befreit
und mit florierenden Bauunternehmen angereichert werden, ehe das Geschenk
akzeptiert wurde. (Vgl. Wang aaO.)
So versucht dieser Beschluß nun, für die Schulden der
Unternehmen auch die bisher "betreibenden Einheiten" haftbar zu
machen. Aber das Oberste Volksgericht wird damit einem Gläubiger nicht viel
helfen können, denn auch wenn nach den Bestimmungen die "betreibende
Einheit" zivilrechtlich für ein Unternehmen haftet, so doch nicht mit
ihrem für öffentliche Angelegenheiten erforderlichen Vermögen, nicht einmal mit
ihren Fahrzeugen (§§ 15, 16); der Gläubiger kann nur hoffen, irgendwo
"außerfiskalische Mittel" der "Einheit" zu entdecken. Das
können aber, weil diese "Einheiten" ja meist keine Unternehmen mehr
betreiben dürfen, in der Regel nur schwarze Kassen der "Einheiten"
sein, und die dürften in der Praxis dann längst verteilt sein. Von größerer
praktischer Bedeutung dürfte aber § 13 sein, vgl. dort Anm. 7.
<2> 12.4.86/1
<3> 29.12.93/1
<4> 9.4.91/1
<5> 2.12.86/1
<6> 3.11.88/1
<7> Also an erster
Stelle, als Lohnforderung, nicht als Rückzahlung an Eigentümer!
Übersetzung, Anmerkungen,
Copyright: F.Münzel, Hamburg